Niedersachsen: 15 m hohe Windanlagen ab 2022 ohne Genehmigung möglich

24/05/2023
Niedersachsen - Genehmigung - Kleinwindkraftanlagen

Frohe Botschaft zum Ende des Jahres: Die rot-schwarze Landesregierung in Niedersachsen erleichtert ab 2022 die Installation von Kleinwindanlagen. Kleine Windanlagen zur Selbstversorgung sind optisch unauffällig, werden von den Anwohnern oft gar nicht wahrgenommen. Insofern macht es Sinn, in manchen Fällen auf eine Baugenehmigung zu verzichten.

Windkraftanlagen bis 15 m Gesamthöhe in manchen Gebieten verfahrensfrei

Mit einem Beschluss des niedersächsischen Landtags im November 2021 können Kleinwindkraftanlagen mit einer Gesamthöhe bis 15 Meter ohne Baugenehmigung aufgestellt werden. Die neue Regel gilt für Gewerbe- und Industriegebiete sowie den Außenbereich. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.

Es geht um sogenannte verfahrensfreie Bauvorhaben, die ohne Baugenehmigung und ohne Benachrichtigung des Bauamts durchgeführt werden dürfen. In der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) geht § 60 auf verfahrensfreie Baumaßnahmen ein. Im Anhang der NBauO werden die verfahrensfreien Baumaßnahmen aufgezählt.

Das Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung vom
10. November 2021 beinhaltet eine Ergänzung der verfahrensfreien Bauvorhaben, im Wortlaut…

„Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten, wenn die Baugebiete durch Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 BauGB festgesetzt sind, und im Außenbereich
a) auf baulichen Anlagen bis 2 m Gesamthöhe der Windenergieanlage gemessen ab dem Schnittpunkt der Windenergieanlage mit der Außenfläche der baulichen Anlage und
b) im Übrigen bis zu 15 m Gesamthöhe der Windenergieanlage gemessen ab der Geländeoberfläche,
außer an oder in der Nähe von Kultur- und Naturdenkmalen.“

Fazit: Sowohl im Außenbereich als auch in Gewerbe- und Industriegebieten können Kleinwindanlagen jetzt bis 15 m Gesamthöhe ohne Genehmigung aufgestellt werden. Mit Gesamthöhe ist die höchste Flügelspitze über Grund gemeint.

Auch wenn Windenergieanlagen auf baulichen Anlagen erwähnt werden, spielen diese in der Praxis kaum eine Rolle. Aufgrund schlechter Windverhältnisse in der Nähe der Gebäudehülle.

Niedersachsen geht bei lokalem Klimaschutz voran

Die SPD/CDU-Landesregierung geht mit gutem Beispiel voran. Diese Entbürokratisierung für kleine Windanlagen fördert den lokalen Klimaschutz durch Windenergie.

Zwar hat Hamburg schon eine 15-Meter-Regel, allerdings wird es in dem flächenmäßig kleinen und dichtbesiedelten Stadtstaat nicht viele geeignete Standorte für Kleinwindanlagen geben (zumal die Regelung in Hamburg nur in festgesetzten Gewerbe- und Industriegebieten und im Hafennutzungsgebiet gilt).

Ganz anders Niedersachsen: es ist nicht nur das flächenmäßig zweitgrößte Bundesland, sondern hat mit das höchste regionale Windpotenzial in Deutschland. In der offenen Landschaft und den vielen Küstenregionen kann der Wind seine volle Kraft entfalten.

Besonders erfreulich ist das Mitwirken der niedersächsischen CDU an der Gesetzesänderung. Im Sinne einer progressiven Politik für Klimaschutz und Energiewende. Das muss betont werden, weil die CDU in NRW eine gegenteilige Politik betreibt: im Juli 2021 wurde eine beispiellos destruktive Regelung gegen Kleinwindanlagen beschlossen. Federführend war das der CDU unterstehende Bauministerium NRW.

Was kann eine 15 m hohe Windanlage leisten?

Schauen wir uns an, was eine 15 m hohe Kleinwindkraftanlage in der Praxis leisten kann. Welche jährlichen Stromerträge sind für diesen Anlagentyp realistisch?

Eine Kleinwindanlage mit 15 m Gesamthöhe könnte beispielsweise mit einem Rotor von 6 m Durchmesser ausgestattet sein, die Nennleistung rund 6 kW betragen. Mit einem 6-Meter-Rotor kann man bei 4 m/s mittlerer Jahreswindgeschwindigkeit rund 4.500 kWh Strom pro Jahr erzeugen. Bei 5 m/s Wind rund 9.000 kWh Strom pro Jahr.

Ausgehend von diesen typischen jährlichen Stromerträgen eignen sich Kleinwindanlagen mit 15 m Gesamthöhe für private und kleingewerbliche Betreiber. Ein landwirtschaftlicher Großbetrieb mit hohem Strombedarf wird eine leistungsstärkere und höhere Anlage nehmen, für die er dann eine Baugenehmigung beantragen muss.

Extra-Tipp (Video 9:26 min):
Kleinwindanlagen im Vergleich (Leistung, Höhe, Stromertrag)

Video_Größe Höhe Kleinwindanlage

Weitere Informationen

Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 5321 vom 16. November 2021

Beinhaltet das Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung und des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes.
=> PDF runterladen von niedersachsen.de

Niedersächsische Bauordnung (NBauO)

§ 60 Verfahrensfreie Baumaßnahmen
>> zum Paragraphen

Anhang der NBauO: Verfahrensfreie Baumaßnahmen
>> zum Anhang

Grundlagen: Genehmigung von Kleinwindkraftanlage

Über den Autor

Patrick Jüttemann

Patrick Jüttemann ist neutraler Experte für Kleinwindkraftanlagen und Autor diverser Fachpublikationen. Er ist Gründer und Inhaber des 2011 gestarteten Kleinwindkraft-Portals und des dazugehörigen YouTube-Kanals "Kleinwindkraft".
Er ist international anerkannter Experte zu gewerblichen und privaten Kleinwindanlagen für die lokale Energieversorgung. Dazu gehört die Integration von Photovoltaik und Stromspeichern.
Seine Arbeit als Autor ist durch aktuelle Marktanalysen, wissenschaftlich fundierte Berichte und Verbraucherschutz gekennzeichnet. Als Experte wird er in diversen renommierten Zeitschriften wie beispielsweise der ZEIT, F.A.Z. und c’t (Heise Gruppe) zitiert.