Sturmsicherheit bei Kleinwindanlagen ist ein Muss

10/03/2025
Sturmsicherheit Kleinwindkraftanlage

Nur mit einer sturmsicheren Kleinwindkraftanlage wird man als Betreiber langfristig zufrieden sein. Durch die enormen Kräfte bei Sturm können Windkraftanlagen beschädigt oder sogar zerstört werden, wenn der Rotor in eine gefährliche Überdrehzahl gerät.

Eine zuverlässige Sturmsicherung ist auch ein kritischer Erfolgsfaktor für die Langlebigkeit einer Kleinwindanlage. Ohne wirksamen Schutz vor Überlast bei starkem Wind drohen Materialermüdung, Verschleiß von Komponenten und im Extremfall der Komplettausfall der Anlage.

Um diese Risiken zu vermeiden, muss eine Kleinwindanlage über eine durchdachte Technik verfügen, die die Rotordrehzahl bei zu starkem Wind zuverlässig begrenzt. Technische Richtlinien schreiben dies verbindlich vor.

Warum Sturmsicherung unverzichtbar ist

Windenergie entwickelt bei Sturm und Orkan eine enorme Kraft. Um Schäden zu vermeiden, muss eine Kleinwindanlage unbedingt vor zu starkem Wind geschützt werden. Unter Sturmsicherung versteht man alle technischen Maßnahmen, die Schäden an der Windanlage bei Extremwetter verhindern.

Ab Windstärke 9 mit Windgeschwindigkeiten um 75 km/h (20,8 m/s) spricht man von Sturm. Bei Windstärke 12 mit über 118 km/h (32,7 m/s) herrscht Orkan. Solche Windgeschwindigkeiten üben eine hohe mechanische Belastung auf die Windkraftanlage aus.

Ohne Sturmsicherung würde sich der Rotor immer schneller drehen und schließlich zerstört werden. Auch die Leistung des Generators ist nicht auf diese Naturgewalt ausgelegt. Eine durchdachte Leistungsbegrenzung ist deshalb unerlässlich, um die Windlast auf den Rotor zu verringern. Ziel ist es, die Drehzahl des Rotors in einem unkritischen Bereich zu halten, auch wenn der Wind immer stärker wird.

Nur technisch ausgereifte Kleinwindanlagen verfügen über eine zuverlässige Sturmsicherung. Beim Kauf einer Windturbine sollte man deshalb unbedingt auf dieses Qualitätsmerkmal achten.

Technische Methoden der Sturmsicherung

Es gibt unterschiedliche Methoden, um die Anlagenleistung bei Sturm zu begrenzen. Empfehlenswerte Hersteller setzen dafür mehrere Mechanismen parallel ein, um die Sturmsicherheit zu gewährleisten. Die Systeme zur Reduzierung der Rotorbelastung lassen sich in folgende Kategorien einteilen…

Aerodynamische Regulierung

Bei der aerodynamischen Regulierung wird die Drehgeschwindigkeit des Rotors bei hohen Windgeschwindigkeiten begrenzt. Dazu kommen folgende Methoden zum Einsatz:

Stall-Regelung des Rotors (Strömungsabriss):

Die Stall-Regelung ist ein bewährtes Verfahren, um die Leistung des Rotors bei hohen Windgeschwindigkeiten zu begrenzen und so eine Überlastung zu vermeiden. Hierbei macht man sich den sogenannten Strömungsabriss (Stall-Effekt) an den Rotorblättern zunutze.

Die Rotorblätter einer Anlage mit Stall-Regelung sind fest montiert und nicht verstellbar. Sie weisen eine spezielle aerodynamische Form auf, die bei hohen Windgeschwindigkeiten einen kontrollierten Strömungsabriss erzeugt.

Die Stall-Regelung funktioniert nur bei konstanter Drehzahl des Rotors. Nimmt bei gleichbleibender Drehzahl die Windgeschwindigkeit weiter zu, reißt ab einem bestimmten Punkt die Luftströmung an den Rotorblättern ab. Dadurch wird trotz stärkerem Wind die Leistung begrenzt.

Der Vorteil der Stall-Regelung ist ihre Robustheit und Einfachheit, da keine beweglichen Teile für die Blattverstellung nötig sind.

Rotorblattverstellung (Pitch-Regelung):

Bei der Rotorblattverstellung (Pitch-Regelung) werden die Rotorblätter verstellt, um den Anstellwinkel zu verändern und so die Drehzahl bei hohen Windgeschwindigkeiten zu begrenzen. Die Verstellung erfolgt entweder aktiv, d.h. elektrisch über einen Stellmotor oder passiv durch die Windkraft und Zentrifugalkräfte, wobei die Blätter mit einer Feder vorgespannt sind.

Im Normalbetrieb haben die Rotorblätter einen optimalen Anstellwinkel für maximalen Auftrieb und Leistung. Steigt die Windgeschwindigkeit über einen kritischen Wert, werden die Blätter in eine flachere Position gedreht, wodurch sich die effektive Angriffsfläche und der Auftrieb verringern und eine weitere Beschleunigung des Rotors verhindert wird.

Die Pitch-Regelung ermöglicht eine stufenlose und präzise Regelung der Rotordrehzahl sowie höhere Wirkungsgrade im Teillastbereich, ist aber technisch aufwändiger als die Stall-Regelung.

Rotor aus dem Wind bewegen

Eine Methode, um den Rotor bei zu hohen Windgeschwindigkeiten zu schützen, ist ihn ganz oder teilweise aus dem Wind zu bewegen und so die wirksame Rotorfläche zu verringern. Der Vorteil dieser  Verfahren ist, dass sie rein mechanisch funktionieren und keine komplexe Elektronik oder Sensorik erfordern.

Helikopterstellung

Bei der Helikopterstellung wird der Rotor bei Sturm nach hinten wegklappt, so dass nur noch ein kleiner Teil der Rotorfläche in den Wind zeigt. Dies wird meist durch eine Feder realisiert und dient als zweites Sicherheitssystem.

Helikopterstellung: Rotor knickt bei starkem Wind nach hinten (Foto: Braun Windturbinen)

Seitliches Wegdrehen (Furling)

Das seitliche Wegdrehen des Rotors aus dem Wind ist eine weitere Methode zur Sturmsicherung bei Kleinwindanlagen. Dabei wird der Rotor entweder durch eine Windfahne oder einen aktiven Verstellmechanismus seitlich gedreht, bis er nur noch in einem flachen Winkel angeströmt wird. Durch diesen geringen Anstellwinkel reduziert sich die effektive Rotorfläche, so dass die Rotorleistung auch bei sehr hohen Windgeschwindigkeiten im unkritischen Bereich bleibt.

Die aktive Windnachführung, wie sie bei großen Windkraftanlagen die Regel ist, wird Azimutsteuerung bezeichnet.

Bremssysteme: Typen

Bremssysteme sind für Kleinwindkraftanlagen aus Sicherheitsgründen unverzichtbar. Sie dienen dazu, die Anlage bei zu starkem Wind oder für Wartungsarbeiten zum Stillstand zu bringen. Bei Kleinwindanlagen kommen verschiedene Typen von Bremssystemen zum Einsatz, die sich in ihrer Funktionsweise und Anwendung unterscheiden.

Generatorkurzschluss:
Beim Generatorkurzschluss werden die Statorwicklungen des Generators gezielt kurzgeschlossen. Dadurch entsteht ein starker induktiver Widerstand, der den Rotor abbremst.

Elektromagnetische Bremsen:
Diese Bremssysteme aktivieren sich automatisch bei Überschreiten kritischer Parameter wie der Nenndrehzahl. Wirbelstrombremsen nutzen elektromagnetische Felder zur berührungslosen Abbremsung.

Scheibenbremsen:
Mechanische Scheibenbremsen funktionieren ähnlich wie bei Kraftfahrzeugen. Es handelt sich um hydraulische oder federbelastete Systeme für die Notabschaltungen.

Lastwiderstand (Dumpload):
Durch die Umwandlung überschüssiger elektrischer Energie in Wärme schützt der Lastwiderstand den Generator und angeschlossene Systeme vor Überlastung und Beschädigung. Der Dump Load wird meist als eigenständige Komponente installiert. Alternativ kann die überschüssige Energie in einen Heizstab geleitet werden, der die überschüssige Energie in Warmwasser umwandelt. Der Lastwiderstand wird automatisch zugeschaltet, wenn bestimmte Spannungsgrenzen erreicht werden, ein Netzausfall auftritt oder zu hohe Windgeschwindigkeiten herrschen.

Bremssysteme: Aktivierung

Das Auslösen der Bremse kann auf Basis verschiedener Parameter erfolgen.

Drehzahl des Rotors:
Die Rotordrehzahl ist ein kritischer Parameter, eine Überdrehzahl muss vermieden werde. Bei Überschreitung einer definierten maximalen Drehzahl werden die Bremsen aktiviert, um eine mechanische Überlastung zu verhindern.

Windgeschwindigkeit:
Ein an der Windkraftanlage installierter Windsensor (Anemometer) misst die Windgeschwindigkeit und regelt auf dieser Basis die Windanlage. Ab einem vorgegebenen Schwellenwert wird die Bremse ausgelöst.

Elektrische Spannung:
Eine Überspannung kann die elektrischen Komponenten beschädigen. Daher lösen die Bremsen aus, wenn ein festgelegter Spannungs-Grenzwert überschritten wird.

Leistung:
Bei Überschreitung der Maximalleistung (Kilowatt) kann das Bremssystem aktiviert werden, um eine Überlastung des Generators zu vermeiden.

Temperatur des Generators:
Überhitzung des Generators oder anderer Komponenten, erfasst durch Temperatursensoren, kann ebenfalls zum Auslösen der Bremsen führen.

Netzausfall:
Bei Unterbrechung der Netzverbindung muss die Anlage aus Sicherheitsgründen gebremst werden.

Technische Normen als Sicherheitsvorschriften

Bei der Konstruktion und Installation von Kleinwindanlagen spielen technische Normen eine entscheidende Rolle für die Sturmsicherheit. Sie definieren die Mindestanforderungen, die ein Hersteller erfüllen muss, um eine sichere und zuverlässige Anlage auf den Markt zu bringen.

IEC 61400-2

Die Norm IEC 61400-2 ist der maßgebliche internationale Standard für Kleinwindanlagen. Sie gilt für Anlagen mit einer Rotorfläche von bis zu 200 m² (entspricht Rotordurchmesser bis rund 16 m). Die Norm Sie zielt darauf ab, ein angemessenes Sicherheitsniveau gegen Risiken wie mechanisches Versagen, elektrische Gefahren oder Umwelteinflüsse während der geplanten Lebensdauer der Anlagen zu gewährleisten.

Kleinwindkraftanlagen müssen über redundante Sicherheitssysteme verfügen, die bei Überschreiten kritischer Parameter (z. B. Drehzahl, Spannung) automatisch abschalten. Die in der Norm genannten Tests umfassen unter anderem einen Dauerbelastungstest und Blattprüfungen.

DIBt-Richtlinien

Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) hat auf Basis der IEC 61400-2 eigene Richtlinien entwickelt, die spezifisch auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten sind.

Das DIBt verlangt für Kleinwindanlagen mindestens zwei unabhängige Bremssysteme (mechanisch, elektrisch oder aerodynamisch), von denen eines auch bei Netzausfall funktionieren muss. Die Sicherheitssysteme müssen nach dem Fail-Safe-Prinzip konstruiert sein, sodass Einzelfehler oder der Ausfall von Komponenten nicht zur Gefährdung führen können. Weder Stromausfall noch technische Defekte dürfen zu einer Überschreitung der maximalen Rotordrehzahl oder unsicheren Betriebszuständen führen. Die Wirksamkeit dieser Schutzmaßnahmen muss nachgewiesen werden.

CE-Zeichen

Das CE-Zeichen auf einer Kleinwindanlage hat nur begrenzte Aussagekraft bezüglich der Sturmsicherheit. Es handelt sich bei der CE-Kennzeichnung um eine Selbstverpflichtung des Herstellers, ohne dass eine unabhängige Überprüfung durch externe Prüfstellen erfolgt. Die CE-Kennzeichnung ist kein Qualitätssiegel. Ob ein Hersteller in der Praxis eine sichere Anlage hat, lässt sich nur durch unabhängige Tests und Langzeiterfahrungen zuverlässig beurteilen.

Kleinwindanlagen als Beispiele

Ein Blick in die Praxis: Der Kleinwind-Marktreport zeigt verschiedene Hersteller mit zuverlässigen Sturmsicherungskonzepten. Hierzu ein paar Beispiele…

Superwind – SW-350 II

Die Mikrowindanlage mit 350 Watt Nennleistung und einem Rotordurchmesser von 1,20 m vereint Leistungsregulierung und Sturmschutz durch ein mechanisches System mit verstellbaren Rotorblättern, die ihren Anstellwinkel bei hohen Windgeschwindigkeiten automatisch anpassen. Bei Überschreitung der Nennwindgeschwindigkeit von 12,5 m/s verringert sich die Angriffsfläche, wodurch die Leistungsabgabe konstant bei etwa 350 Watt bleibt.

Der integrierte Überdrehzahlregler funktioniert unabhängig von einer elektrischen Last und hält die Drehzahl auch bei extremen Sturmböen in einem sicheren Bereich.

Ferner gibt es eine manuelle Bremse auf Basis eines Generator-Kurzschlusses, die über einen Stoppschalter aktiviert wird.

superwind Mikrowindanlage mit 350 Watt Nennleistung

Braun Windturbinen (Antaris)

Von Braun Windturbinen werden Kleinwindanlagen der Modellreihe Antaris mit einer Leistung von 2,5 bis 12 kW angeboten. Die Rotoren haben einen Durchmesser von 3,00 bis 6,50 m. Die Windanlagen nutzen ein zweistufiges Sicherheitskonzept mit redundanten Systemen zur Sturmsicherung.

Bei Starkwind knickt der Rotor durch die sogenannte Helikopterstellung automatisch nach hinten, wodurch sich die Windangriffsfläche verringert und die mechanische Belastung abnimmt.

Die integrierte Regelelektronik überwacht kontinuierlich die Systemspannung und aktiviert bei Grenzwertüberschreitungen einen Bremswiderstand, der überschüssige Energie in Wärme umwandelt und den Rotor kontrolliert abbremst. Zusätzlich überwachen Sensoren permanent die Generatordrehzahl und -temperatur, um bei kritischen Werten den Bremsvorgang auszulösen.

Braun Antaris

Wind Technik Nord – WTN 250i

Der deutsche Hersteller Wind Technik Nord bietet eine Kleinwindanlage mit 250 kW Nennleistung an. Es ist die zurzeit leistungsstärkste Kleinwindkraftanlage auf dem Markt.

Das Modell WTN 250i nutzt zur Leistungsbegrenzung bei starkem Wind eine Stallregelung, bei der die Rotorblätter so geformt sind, dass bei hohen Windgeschwindigkeiten die Strömung an den Blättern abreißt. Dies begrenzt die Leistung der Windkraftanlage auch bei starkem Wind.

Diese Stallregelung wird durch einen Vollumrichter aktiv unterstützt. Er ermöglicht eine von der Netzfrequenz unabhängige Steuerung der Rotordrehzahl und kann so den Strömungsabriss an den Blättern beeinflussen. Dadurch erreicht die WTN-1000 bei schwachem Wind eine höhere Effizienz und bei starkem Wind eine effektive Leistungsbegrenzung gemäß der deutschen Netzrichtlinie.

Zusätzlich verfügt die WTN-1000 über zwei Bremssysteme: Unabhängige Blattspitzenbremsen, die durch Fliehkraft oder den Controller ausgelöst werden und hydraulisch zurückgestellt werden. Zudem eine Scheibenbremse auf der schnell drehenden Getriebewelle.

Eine Steuerung mit Mikroprozessor überwacht kontinuierlich alle Funktionen, speichert Betriebsdaten und regelt die Ausrichtung der Anlage zur Windrichtung. Für eine präzise Windnachführung sorgt ein aktives Nachführsystem mit zwei Getrieben.

250 kW Anlage von Wind Technik Nord

Fazit

Je mehr unterschiedliche Schutzmechanismen bei Sturm greifen, desto besser ist die Kleinwindanlage gegen Überlast geschützt. Die technischen Richtlinien sehen verbindlich vor, dass jede Windkraftanlage über ein ausfallsicheres Bremssystem verfügen muss.

Rein elektrische Systeme haben sich als zu fehleranfällig erwiesen, gerade bei Extremwetter. Deshalb fordert die Norm mindestens eine zweite, unabhängige Methode, die den Rotor mechanisch vor Überdrehzahl schützt.

In der Praxis wird die mechanische und ausfallsichere Grundsicherung oft mit einer elektronischen Regelung kombiniert. Je größer der Rotor und je höher die Generatorleistung einer Kleinwindkraftanlage, desto umfangreicher sind in der Regel die Sicherheitsmechanismen.

Über den Autor

Patrick Jüttemann

Patrick Jüttemann ist neutraler Experte für Kleinwindkraftanlagen und Autor diverser Fachpublikationen. Er ist Gründer und Inhaber des 2011 gestarteten Kleinwindkraft-Portals und des dazugehörigen YouTube-Kanals "Kleinwindkraft".
Er ist international anerkannter Experte zu gewerblichen und privaten Kleinwindanlagen für die lokale Energieversorgung. Dazu gehört die Integration von Photovoltaik und Stromspeichern.
Seine Arbeit als Autor ist durch aktuelle Marktanalysen, wissenschaftlich fundierte Berichte und Verbraucherschutz gekennzeichnet. Als Experte wird er in diversen renommierten Zeitschriften wie beispielsweise der ZEIT, F.A.Z. und c’t (Heise Gruppe) zitiert.