Bürokratieabbau: 15 m Windanlagen ohne Genehmigung in Schleswig-Holstein

26/07/2024

Bürokratie ist eines der größten Probleme der Kleinwindkraft in Deutschland. Konkret: die Baugenehmigung. Sehr erfreulich vor diesem Hintergrund ist eine Novellierung der Landesbauordnung in Schleswig-Holstein. In manchen Gebietstypen dürfen jetzt kleine Windkraftanlagen bis 15 Meter Gesamthöhe ohne Genehmigung aufgestellt werden. Es ist Zeit für eine deutschlandweite Initiative: im windschwächeren Süden benötigen wir 20 m freie Höhe.

Novellierung der Landesbauordnung Schleswig-Holstein

Die neue Landesbauordnung Schleswig-Holstein  ist am 5. Juli 2024 in Kraft getreten. Auch für Kleinwindkraftanlagen gibt es ein erfreuliche Änderung. Während bislang Kleinwindanlagen bis maximal 10 m Gesamthöhe ohne Genehmigung aufgestellt werden konnten, wurde dies jetzt auf 15 m Gesamthöhe erweitert.

Wichtig ist zudem, dass die Begrenzung der Rotorgröße weggefallen ist. Bislang durften nur Kleinwindanlagen mit einem Rotordurchmesser von maximal 3 m verfahrensfrei aufgestellt werden. Das wurde erfreulicherweise gestrichen.

Hier die Gesetzespassage im Wortlaut:

§ 61

Verfahrensfreie Bauvorhaben, Beseitigung von Anlagen

3. folgende Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien:

c) Windenergieanlagen

aa) auf baulichen Anlagen bis 2 m Gesamthöhe der Windenergieanlage gemessen ab dem Schnittpunkt der Windenergieanlage mit der Außenfläche der baulichen Anlage

und

bb) freistehend bis zu 15 m Gesamthöhe der Windenergieanlage gemessen ab der Geländeoberfläche, in Kleinsiedlungs-, Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten sowie in vergleichbaren Sondergebieten, in Gebieten mit Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 oder 2 BauGB mit entsprechenden Festsetzungen und im Außenbereich, soweit es sich nicht um geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes oder um Natura 2000-Gebiete im Sinne von § 7 Absatz 1 Nummer 8 des Bundesnaturschutzgesetzes handelt.

Quelle:
Novelle LBO Schleswig-Holstein Juli 2024

Verfahrensfrei bedeutet, dass keine behördliche Genehmigung für die Errichtung der Anlage erforderlich ist und man die Behörde auch nicht informieren muss. Trotz der Verfahrensfreiheit müssen Betreiber sicherstellen, dass die Anlage alle technischen, sicherheitsrelevanten und umweltrechtlichen Vorgaben einhält.

Auf Gebäuden: 2 m hohe Windanlagen

Die neue Regel erlaubt sehr kleine Windanlagen bis 2 m Gesamthöhe auf Gebäuden, das heißt auf Dächern. Meine ehrliche Meinung dazu: Mikrowindanlagen auf Dächern sind oft nicht erfolgreich, insbesondere in bebauten Gebieten wie Wohngebieten. Der Wind ist dort in der Regel zu schwach, um eine ausreichende Stromproduktion zu gewährleisten.

Mikrowindanlagen sind eher was fürs Segelschiff oder abgelegene Standorte im ländlichen Raum mit gutem Windpotenzial.

Freistehende Kleinwindanlagen bis 15 m Gesamthöhe

Kleinwindkraftanlagen mit 15 m Gesamthöhe (= höchste Flügelspitze) werden üblicherweise von privaten und kleingewerblichen Betreibern eingesetzt.

Die neue Regel gilt nicht für alle Gebietstypen wie z.B. Wohngebiete, in denen der Bebauungsplan nicht dezidiert Kleinwindanlagen zulässt. Das sollte bislang die absolute Ausnahme sein. De facto gilt die neue 15-Meter-Regel also nicht für Wohngebiete.

Gestattet wird die einfachere Aufstellung von Kleinwindkraftanlagen dagegen im Außenbereich (ländliche Gebiete), Gewerbe- und Industriegebiete, Kerngebiete (Zentren) und Kleinsiedlungsgebiete (ländlich geprägte Wohngebiete mit größeren Grundstücken).

Vergleich mit anderen Bundesländern

Neben Schleswig-Holstein haben bislang nur Niedersachsen und Hamburg eine 15-Meter-Regel eingeführt. In vielen anderen Bundesländern gilt weiterhin eine Höhenbegrenzung von 10 Metern, was insbesondere in den südlicheren Bundesländern problematisch ist, da dort die Windverhältnisse weniger günstig sind als im Norden. Eine Anpassung der Regelungen auf bundesweiter Ebene wäre daher wünschenswert.

20-Meter-Regel für südliche Bundesländer!

In südlichen Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen etc. sind höhere Kleinwindanlagen notwendig, um die geringeren Windgeschwindigkeiten auszugleichen. In Bayern wird man an vergleichbaren Standorten in 20 m Höhe oft weniger Wind haben als in 15 m Höhe in Schleswig-Holstein.

Eine verfahrensfreie Gesamthöhe von mindestens 20 Metern würde es ermöglichen, auch in diesen Regionen mit wenig Bürokratie Kleinwindanlagen zu betreiben. Wir benötigen eine Initiative 20-Meter-Kleinwindkraft ohne Genehmigung!

Entfallen sollte zudem überall die Begrenzung der Rotorgröße, so wie es Schleswig-Holstein vorgemacht hat. Wenn ein Rotor statt 3 m jetzt z.B. 4 m Durchmesser haben kann, dann wird das die Energieproduktion der Windanlage deutlich verbessern.

Stromintensive Unternehmen mit mehr als 50.000 kWh Strombedarf pro Jahr werden mit 15 oder 20 m Höhe allerdings nicht auskommen. Hier sind größere Anlagen notwendig, in Verbindung mit einer Baugenehmigung. Die maximale Höhe für dezentrale Windkraftanlagen vor Ort liegt bei 50 m.

Optisch unauffällige Selbstversorger-Anlagen

Ein Punkt muss man immer wieder erwähnen: Kleinwindanlagen sind aufgrund der schmalen Rotorblätter und dünnen Masten kaum sichtbar und beeinträchtigen nicht das Landschaftsbild. Selbst Anlagen mit einer maximalen Gesamthöhe von 50 m fallen optisch kaum auf.

Kleinwindkraftanlagen sind eine Chance für den Klimaschutz in den Regionen. Wichtig sind faire und unbürokratische Rahmenbedingungen, wie die oben erwähnte Gesamthöhe von 20 Meter für verfahrensfreie Kleinwindanlagen.

Weiterführende Informationen

LBO Niedersachsen – § 61 Verfahrensfreie Bauvorhaben
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Genehmigung und Recht für kleine Windkraftanlagen:
>> hier klicken

Über den Autor

Patrick Jüttemann

Patrick Jüttemann ist neutraler Experte für Kleinwindkraftanlagen und Autor diverser Fachpublikationen. Er ist Gründer und Inhaber des 2011 gestarteten Kleinwindkraft-Portals und des dazugehörigen YouTube-Kanals "Kleinwindkraft".
Er ist international anerkannter Experte zu gewerblichen und privaten Kleinwindanlagen für die lokale Energieversorgung. Dazu gehört die Integration von Photovoltaik und Stromspeichern.
Seine Arbeit als Autor ist durch aktuelle Marktanalysen, wissenschaftlich fundierte Berichte und Verbraucherschutz gekennzeichnet. Als Experte wird er in diversen renommierten Zeitschriften wie beispielsweise der ZEIT, F.A.Z. und c’t (Heise Gruppe) zitiert.