Irreführende TV-Sendung: „Einfach genial“ berichtet über Vertikalwindrad im Wohngebiet

10/02/2022

Wieder mal ein TV-Beitrag, der ein falsches Bild von der Nutzung kleiner Windräder für den Hausgebrauch vermittelt. Exakt vor diesem Anwendungstyp warne ich regelmäßig: Das Mini-Windrad mit vertikaler Achse direkt über dem Dach inmitten eines Wohngebiets. Manche Angaben sind vollkommen unrealistisch...

Zentrale Wohngebietslagen oft mit Windschatten

Die im TV-Bericht des MDR erwähnte Miniwindturbine vom Hersteller Techcarbon von Entwickler Ulrich Papenburg ist auf dem Dach eines Wohngebiets in Unterschleißheim nördlich von München aufgebaut. Im Video-Clip bekommt man einen guten Eindruck zur Lage. Es handelt sich um ein dicht bebautes Wohngebiet. Wie soll dort Wind an den Rotor gelangen?

Um einen Anhaltspunkt zum Windpotenzial in dieser Region zu bekommen, kann man Winddaten des Deutschen Wetterdienstes zur Hand nehmen und zwar vom Flughafen München, der wenige Kilometer von Unterschleißheim entfernt liegt. Wohlgemerkt: Es handelt sich um eine Messstation auf dem Gebiet eines Flughafens d.h. man hat signifikant bessere Windverhältnisse als im dicht besiedelten und windschattigen Wohngebiet! In 10 m Höhe beträgt die mittlere Windgeschwindigkeit am Flughafen rund 3 m/s. Im Wohngebiet wird man von nicht mehr als 2 bis 2,5 m/s mittlerem Wind ausgehen können. Viel zu wenig, um dort nennenswert mit einer Windkraftanlage Strom produzieren zu können. Zentrale Wohngebietslagen haben nun mal meist schlechte Windverhältnisse.

Erwartete Stromerträge und Rendite sind unrealistisch

Vor dem Hintergrund des am Standort zu vermuteten schlechten Windangebots sind die in der Sendung genannten Stromerträge von 700 bis 800 Kilowattstunden pro Jahr in diesem Wohngebiet nicht ansatzweise realistisch. Erst recht nicht mit einer vertikalen Windanlage als Widerstandsläufer, die einen vergleichsweise niedrigen Wirkungsgrad hat.

Auch die Angaben zu Amortisation und Wirtschaftlichkeit sind nicht nachvollziehbar. Je nach Windbeschaffenheit des Standorts würde sich das vorgestellte Vertikalwindrad nach 8 bis 20 Jahren rechnen, so der Entwickler der Anlage. Dazu meine einfach gehaltene Rechnung: Es werden Kosten von 10.000 Euro genannt. Gehen wir mal von den (nicht realistischen) 800 kWh Stromertrag pro Jahr aus. Bei einem Strompreis von heute 30 Cent spare ich dann 240 Euro im ersten Jahr, wenn ich einen Eigenverbrauch von 100 Prozent habe. Sicherlich steigt der Wert des Windstroms im Laufe der Jahre aufgrund der Strompreissteigerung, realistisch sind 3 Prozent. Aber auch dann liegt eine Amortisation von 20 Jahren in weiter Ferne.

Savonius-Rotoren haben niedrigen Wirkungsgrad

Mehr als skurril wirkt der Hinweis des Entwicklers Ulrich Papenburg, dass er erst auf seine Stromrechnung warten muss, bis er die Erträge seiner Windanlage abschätzen kann! Bitte was? Kein Stromzähler für die Windturbine? Hat er nicht kurz vorher auf einen Wechselrichter geschaut? Spätestens an dieser Stelle kann man diesen TV-Beitrag nicht mehr ernst nehmen. Aber es geht ja noch weiter…

Ein Prototyp wird auf dem Markt angeboten

Dieses Jahr sollen wenn möglich 10 Anlagen und nächstes Jahr bis zu 100 verkauft werden. Es wird ein Produkt für den Markt angepriesen. Exakt hier hört der Spaß auf, wenn dem Zuschauer vermittelt wird: Das ist ein super Produkt, ein Minikraftwerk fürs Wohngebiet und du kannst es in Kürze kaufen. Für das Dach deines Privathauses, es spielt keine Rolle, dass die Nachbarhäuser den Wind abhalten, so um 700 kWh Strom pro Jahr sind drin. Das ist keine seriöse Berichterstattung. Solche Berichte schaden der Kleinwind-Branche.

Wofür bezahle ich meine Rundfunkbeiträge?

Den Entwickler der Windanlage kann ich verstehen, wenn er die Chance nutzt, seine Windanlage im Fernsehen anzupreisen. Nicht in Ordnung sind seine unrealistischen Angaben zu Stromerträgen und Amortisation in dieser Wohngebietslage.

Um es ganz deutlich zu sagen: ein ineffizienter Savonius-Rotor mitten im windschwachen Wohngebiet ist vielleicht ein nettes Windspiel zum Anschauen, hat aber nichts mit Kleinwindkraft oder Energiewende zu tun! 

Sauer bin ich auf den MDR, auf die Redaktion der Sendung „Einfach genial“. Diese hat sich noch nicht mal rudimentär über Grundlagen der Kleinwindkraft-Nutzung informiert. Der öffentliche Rundfunk genießt Vertrauen in der Bevölkerung und wird durch Rundfunkgebühren üppig finanziert. Ein Mindestmaß an redaktioneller Qualität im Sinne des Verbraucherschutzes muss man erwarten können.  Das bedeutet, einem Hersteller mit seinen Produkt nicht eine Bühne zu überlassen, sondern vorab zu recherchieren. Es gibt zahlreiche Experten in Hochschulen, Verbänden, Fachbuch-Autoren etc., die man hätte konsultieren können.

Der Beitrag des MDR vermittelt den Zuschauern ein falsches Bild über den Betrieb von Kleinwindrädern. Genau dieses Bild haben in der Vergangenheit unseriöse Anbieter von Mikro-Windanlagen verwendet, um Verbraucher über den Tisch zu ziehen. Am Ende sind die privaten Hausbesitzer die Leidtragenden, die viel Geld für eine kleine Windenergieanlage ausgeben und nichts davon haben.

TV-Sendung „Einfach genial“ vom 15.11.2016:
Ein Glück wurde der unsägliche Beitrag mittlerweile aus der MDR-Mediathek als auch aus YouTube genommen. 
Hier ein Profil zur Sendung: Einfach genial - Windturbine Helix


 

 

Über den Autor

Patrick Jüttemann

Patrick Jüttemann ist neutraler Experte für Kleinwindkraftanlagen und Autor diverser Fachpublikationen. Er ist Gründer und Inhaber des 2011 gestarteten Kleinwindkraft-Portals und des dazugehörigen YouTube-Kanals "Kleinwindkraft".
Er ist international anerkannter Experte zu gewerblichen und privaten Kleinwindanlagen für die lokale Energieversorgung. Dazu gehört die Integration von Photovoltaik und Stromspeichern.
Seine Arbeit als Autor ist durch aktuelle Marktanalysen, wissenschaftlich fundierte Berichte und Verbraucherschutz gekennzeichnet. Als Experte wird er in diversen renommierten Zeitschriften wie beispielsweise der ZEIT, F.A.Z. und c’t (Heise Gruppe) zitiert.