Dynamische Stromtarife versprechen eine Revolution im Energiemarkt: Strom für wenige Cent pro Kilowattstunde, auch für Haushalte. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesen verlockenden Aussagen? Dieser Beitrag beleuchtet die Realität und zeigt auf, was Verbraucher tatsächlich von dynamischen Stromtarifen erwarten können.
Besonders für Besitzer energieintensiver Geräte wie Elektroautos und Wärmepumpen eröffnen sich hier potenziell interessante Möglichkeiten. Diese Verbrauchergruppe sollte sich mit dem Konzept flexibler Strompreise auseinandersetzen, da hier die größten Einsparpotenziale liegen. Wir untersuchen, wie dynamische Tarife funktionieren, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und ob sich der Umstieg für den durchschnittlichen Haushalt lohnt.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein dynamischer Stromtarif?
Ein dynamischer Stromtarif ist ein Tarifmodell, bei dem der Strompreis variabel ist und sich an den Preisschwankungen auf dem Strommarkt orientiert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Tarifen mit festem Preis, ändert sich bei dynamischen Tarifen der Preis pro Kilowattstunde (kWh) häufig, oft sogar stündlich. Diese Preisanpassungen basieren auf Angebot und Nachfrage an der Strombörse.
Für Verbraucher bedeutet dies, dass sie ihren Stromverbrauch in Zeiten niedriger Preise verlagern können, um Kosten zu sparen. Beispielsweise sind die Preise oft niedriger, wenn der Gesamtstrombedarf gering ist oder wenn viel Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Solarenergie zur Verfügung steht. Ein wichtiger Aspekt für die Energiewende, da es hilft, Last- und Erzeugungsspitzen auszugleichen und die Integration erneuerbarer Energien zu fördern.
Woher stammt die Initiative zu dynamischen Stromtarifen?
Die Einführung dynamischer Stromtarife in Deutschland geht auf eine Initiative der Europäischen Union zurück. Das EU-Parlament hat Ende 2023 eine Reform des Strommarkts beschlossen, die darauf abzielt, den Markt stabiler, nachhaltiger und wirtschaftlicher zu gestalten. Diese Reform beinhaltet auch das Recht der Verbraucher auf dynamische Stromtarife.
Ab 2025 sind alle Stromversorger in Deutschland gesetzlich verpflichtet, mindestens einen dynamischen Stromtarif anzubieten.
Deutschland ist ein Nachzügler, in mehreren europäischen Ländern sind flexible Stromtarife bereits eingeführt. Mit Vorteilen für die Verbraucher. In Dänemark zum Beispiel werden bei der Wettervorhersage im Fernsehen die aktuellen Stromtarife genannt, vor allem, wenn sie aufgrund von viel Windstrom im Netz sehr günstig sind. So können Besitzer einer Wärmepumpe oder eines E-Autos im windreichen Winter diese über Nacht mit günstigem Strom versorgen.
An welche Zielgruppen richten sich dynamische Stromtarife?
Dynamische Stromtarife richten sich an verschiedene Zielgruppen, die von den flexiblen Preismodellen profitieren können:
Private Haushalte: Besonders Haushalte mit einem flexiblen Stromverbrauch, wie solche mit Elektroautos, Wärmepumpen oder Batteriespeichern, können von dynamischen Tarifen profitieren. Diese können ihren Stromverbrauch auf Zeiten mit niedrigeren Preisen verlagern und so Kosten sparen.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU): Unternehmen, die in der Lage sind, ihren Energieverbrauch flexibel zu gestalten, können ebenfalls von dynamischen Tarifen profitieren. Dies gilt insbesondere für Betriebe mit energieintensiven Prozessen, die in Zeiten niedriger Strompreise durchgeführt werden können.
Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) und Immobilienverwalter: Diese Gruppen können dynamische Stromtarife nutzen, um die Energiekosten für ihre Mieter zu optimieren. Durch den Einsatz von Smart Metern und Energiemanagementsystemen können sie den Stromverbrauch effizienter steuern
Was sind die Voraussetzungen?
Für Haushalte und KMU sind folgende Voraussetzungen erforderlich, um dynamische Stromtarife nutzen zu können:
Intelligenter Stromzähler (Smart Meter): Ein Smart Meter ist unerlässlich, da es den Stromverbrauch in Echtzeit erfasst und die Abrechnung auf Basis der schwankenden Marktpreise ermöglicht. Diese Messsysteme sind notwendig, um den Stromverbrauch präzise zu messen und an die variablen Preise anzupassen.
Smart Meter Gateway: Dieses ermöglicht als zentrale Kommunikationseinheit die sichere Übertragung der Daten an Netzbetreiber, Energieversorger und andere autorisierte Parteien.
Passender Stromvertrag: Ein Vertrag mit einem Energieanbieter, der dynamische Tarife anbietet, ist notwendig. Der Anbieter muss den Einbau eines Smart Meters ermöglichen, falls dieser noch nicht vorhanden ist.
Flexibler Stromverbrauch: Haushalte und KMUs sollten in der Lage sein, ihren Stromverbrauch flexibel zu gestalten, um von den Preisschwankungen zu profitieren. Dies kann z.B. durch den Einsatz von Geräten mit steuerbarem Verbrauch wie Elektroautos oder Wärmepumpen erreicht werden
Mit welchen Investitionskosten muss man rechnen?
Die Investitionskosten für die Ertüchtigung der Hauselektrik zur Nutzung flexibler Stromtarife mit einem Smart Meter und eventuell weiteren Komponenten können variieren.
Die jährlichen Kosten für ein Smart Meter sind gedeckelt und hängen vom Stromverbrauch ab. Sie liegen zwischen 23 Euro für einen Verbrauch bis 2.000 kWh und 130 Euro für einen Verbrauch bis 20.000 kWh pro Jahr. Bei einem Pflichteinbau übernimmt der Messstellenbetreiber die Kosten für das Messsystem und den Einbau.
In einigen Fällen kann ein Umbau des Zählerschranks erforderlich sein, was zusätzliche Kosten verursachen kann. Diese können je nach Aufwand bis zu 2.000 Euro oder mehr betragen.
Wann besteht ein Pflichteinbau eines Smart Meters?
Ein Pflichteinbau von Smart Metern besteht in Deutschland unter folgenden Bedingungen:
Haushalte mit hohem Stromverbrauch: Seit 2020 müssen Haushalte mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden ein Smart Meter installieren lassen.
Stromerzeugende Anlagen: Betreiber von Photovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von mehr als sieben Kilowatt Peak sind ebenfalls verpflichtet, ein Smart Meter zu installieren.
Steuerbare Verbrauchseinrichtungen: Haushalte mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Wallboxen für Elektroautos fallen ebenfalls unter die Einbaupflicht.
Diese Regelungen sind Teil der gesetzlichen Vorgaben zur Digitalisierung der Energiewende und sollen bis 2032 flächendeckend umgesetzt werden.
Negativstrom: günstig Heizen und E-Auto fahren?
Bei dynamischen Stromtarifen, die sich an den tagesaktuellen Preisen der Strombörse orientieren, können die Strompreise bis auf wenige Cent pro Kilowattstunde sinken, insbesondere in Zeiten hoher Stromproduktion aus erneuerbaren Energien oder bei geringer Nachfrage. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass selbst wenn der Börsenstrompreis gegen Null geht, Verbraucher dennoch einige Cent pro Kilowattstunde zahlen müssen, da gesetzlich festgelegte Steuern, Abgaben, Umlagen sowie Entgelte für die Netznutzung und den Stromzähler weiterhin anfallen.
Man liest immer wieder von negativen Strompreisen, das klingt sehr verlockend, oder sind es nur Werbefloskeln? In der Tat können Verbraucher tatsächlich mit finanzieller Vergütung Strom beziehen, wenn ein Überangebot an erneuerbarer Energie im Netz vorhanden ist. Allerdings ist das nur kurzfristig der Fall.
Man darf nicht vergessen, dass die Preise auch stark ansteigen können. Im Vorteil sind diejenigen Haushalte und Firmen, die sich mit Photovoltaik und Stromspeicher selbst versorgen können und so ihren Strompreis stabilisieren.
Was sagt der Verbraucherschutz zu dynamischen Stromtarifen?
Die Verbraucherzentralen betonen, dass die flexiblen Tarife besonders für Haushalte mit hohem und flexiblem Verbrauch geeignet, wie solche mit Wärmepumpen, Batteriespeichern oder Elektroautos. Für durchschnittliche Haushalte sind sie weniger sinnvoll.
Es liegt in der Natur der Sache, dass dynamische Stromtarife das Risiko schwankender Strompreise mit sich bringen. Deshalb werden Tarife empfohlen, die eine Absicherung gegen hohe Preissteigerungen enthalten.
Es wird zudem empfohlen, auf kurze Vertragslaufzeiten zu achten, um bei Bedarf schnell zu einem anderen Anbieter wechseln zu können.
Welche Aufgabe hat der Messstellenbetreiber?
Messstellenbetreiber spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung flexibler Stromtarife. Sie sind verantwortlich für den Einbau, Betrieb und die Wartung der Stromzähler, einschließlich der für dynamische Tarife notwendigen intelligenten Messsysteme (Smart Meter).
In Deutschland gibt es grundzuständige Messstellenbetreiber, meist die örtlichen Netzbetreiber, und wettbewerbliche Anbieter. Ihre Aufgaben umfassen neben der Installation auch die regelmäßige Ablesung der Zählerstände und die sichere Übermittlung der Verbrauchsdaten an Stromlieferanten und Netzbetreiber.
Das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) regelt ihre Zuständigkeiten und Pflichten, einschließlich der schrittweisen Einführung von Smart Metern. Die Kosten für den Messstellenbetrieb sind Teil der Stromrechnung und unterliegen bei grundzuständigen Betreibern einer gesetzlichen Preisobergrenze. Für die Nutzung flexibler Stromtarife ist die von Messstellenbetreibern bereitgestellte Infrastruktur unerlässlich, da sie die präzise Erfassung und Übermittlung von Verbrauchsdaten in kurzen Intervallen ermöglicht.
Grundsätzlich steht jedem Haushalt gesetzlich das Recht zu, den Messstellenbetreiber frei zu wählen. Allerdings gibt es in der Praxis einige Einschränkungen: Bei Mietwohnungen kann seit 2021 das Wahlrecht auf den Vermieter übergehen, und bei analogen Zählern ist weiterhin der grundzuständige Messstellenbetreiber (meist der lokale Netzbetreiber) zuständig.
Anbieter dynamischer Stromtarife
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Anbietern von dynamischen Stromtarifen.
Energieversorger sind wie oben schon erwähnt gesetzlich verpflichtet, mindestens einen dynamischen Stromtarif anzubieten.
Es gibt auch spezialisierte Anbieter, die sich auf dynamische Stromtarife konzentrieren. Dazu gehören Tibber, Ostrom und Polarstern.
Auch Photovoltaik-Systemanbieter wie z.B. 1Komma5Grad bieten zunehmend Lösungen an, die dynamische Tarife mit der Nutzung von Solarstrom kombinieren.
Anbieter-Profil: 1KOMMA5°
1KOMMA5° aus Hamburg veranschaulicht den Trend, dass Anbieter von Photovoltaik-Systemen ihr Geschäftsmodell erweitern und in den Markt für flexible Stromtarife vordringen. Diese Entwicklung zeigt, wie Unternehmen aus dem Bereich erneuerbarer Energien zunehmend ganzheitliche Energielösungen anbieten, die Stromerzeugung, Stromspeicherung und innovative Tarifmodelle miteinander verbinden.
Der flexible Stromtarif „Dynamic Pulse“ von 1KOMMA5° richtet sich speziell an Eigenheimbesitzer, insbesondere jene mit Solaranlagen, Stromspeichern, Elektroautos oder Wärmepumpen. Das Kernstück des Angebots ist ein börsenbasierter Strompreis, der sich stündlich an den Preisen der europäischen Strombörse EPEX Spot orientiert. Zur optimalen Nutzung dieses Tarifs setzt 1KOMMA5° auf den eigenen „Heartbeat“ Energiemanager, der den Stromverbrauch automatisch in Zeiten günstiger Preise verschiebt. 1KOMMA5° bietet somit sämtliche Hardware an inklusive Smart Meter, um den flexiblen Tarif nutzen zu können.
Ein besonderes Merkmal ist die Preisgarantie: Je nach Region wird ein maximaler Durchschnittspreis pro kWh für bestimmte Verbrauchsmengen garantiert, der zwischen 15 und 23 Cent liegt. Dies bietet Verbrauchern eine gewisse Sicherheit in Zeiten schwankender Strompreise.
Die Vertragsbedingungen sind mit einer Mindestlaufzeit von einem Monat und einer Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende flexibel gestaltet. Neben dem variablen Arbeitspreis fallen ein monatlicher Grundpreis von 4,49 € sowie 9,99 € für den „Energy Trader“ an. 1KOMMA5° erwähnt durch die intelligente Steuerung eine CO2-Einsparung von bis zu 50%.
Anbieter-Profil: tibber
Einer der bekanntesten Anbieter flexibler Stromtarife ist tibber. Dass Unternehmen wurde 2016 in Norwegen gegründet und hat in Europa mittlerweile über 500.000 Kunden.
Kunden profitieren von Echtzeit-Einblicken in ihren Stromverbrauch und aktuelle Preise über eine benutzerfreundliche App, die eine bewusste Steuerung des Energieverbrauchs ermöglicht. Ein Alleinstellungsmerkmal von Tibber ist die Abschaffung von Abschlagszahlungen und Preiserhöhungen bei Vertragsverlängerungen, da Kunden stets nur den tatsächlichen Verbrauch zum aktuellen Börsenpreis bezahlen.
Das Unternehmen integriert zudem Photovoltaik, Stromspeicher und E-Mobilität in sein Angebot, mit Funktionen wie „Solar Smart Charging“ für Elektrofahrzeuge und der Bereitstellung von Batteriespeichersystemen.
Die „Solar Smart Charging“ Funktion optimiert das Laden von Elektrofahrzeugen, indem sie den Ladevorgang auf Zeiten verschiebt, wenn überschüssiger Solarstrom verfügbar ist, was eine effizientere Nutzung des selbst erzeugten Stroms ermöglicht.
In Zusammenarbeit mit Polarium bietet Tibber das „Homevolt“ Batteriespeichersystem an, das moderne Batterietechnologie mit KI-basierter Software zur Energieeinsparung kombiniert und es Kunden ermöglicht, ihre Energiekosten zu senken und gleichzeitig Flexibilität für das Stromnetz bereitzustellen.
Für Kunden mit Solaranlagen ermöglicht Tibber die Optimierung des Eigenverbrauchs und die effiziente Nutzung oder Einspeisung überschüssigen Stroms.
Flexible Stromtarife und Photovoltaikanlagen
Flexible Stromtarife und Photovoltaikanlagen bilden eine effektive Symbiose im modernen Energiemanagement, besonders wenn E-Auto und/oder Wärmepumpe vorhanden sind. Diese Kombination ermöglicht eine optimierte Nutzung des selbst erzeugten Solarstroms und des phasenweise günstigen Stroms aus dem öffentlichen Netz.
Hausbesitzer können ihren Eigenverbrauch strategisch steuern, indem sie das Laden von E-Autos und den Betrieb von Wärmepumpen an Zeiten hoher Solarproduktion oder niedriger Netzstrompreise anpassen. Batteriespeichersysteme erhöhen zusätzlich die Flexibilität, indem sie überschüssige Energie für spätere Nutzung speichern.
Wer eine neue Photovoltaikanlage installiert, wird dazu moderne Elektroinstallationen wie einen Smart Meter benötigen. Das kann zwar zu Kosten führen, aber ermöglicht eben auch die Nutzung flexibler Stromtarife. Die Kombination Photovoltaik plus Stromspeicher ermöglicht eine Autarkie von 70 Prozent, übers Jahr müssen dann nur 30% des Strombedarfs aus dem Netz bezogen werden. Wer diesen Restbedarf mit niedrigen Tarifen abdecken kann, wird die Energiekosten senken können.
Intelligente Energiemanagementsysteme automatisieren diese Prozesse, optimieren den Stromverbrauch und tragen zur Netzstabilität bei. Diese Synergie steigert nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Anlagen, sondern ermöglicht auch eine ganzjährig effiziente, umweltfreundliche Energienutzung.
Fazit
Die Einführung dynamischer Stromtarife ist Teil einer neuen Energiewelt, die den Weg in eine flexiblere und verbraucherfreundlichere Energiezukunft ebnet. Die Europäische Union erweist sich hierbei als Vorreiter und bietet Haushalten die Möglichkeit, von günstigeren Strompreisen zu profitieren. Ein Vorteil, der bislang den Energieversorgern vorbehalten war.
Flexible Stromtarife sind dabei nur ein Teil eines größeren Ganzen. Sie ergänzen sich mit der Nutzung günstigen Solarstroms aus eigenen Photovoltaikanlagen und intelligenten Energiemanagementsystemen. Diese Kombination schafft ein Ökosystem, das es Verbrauchern ermöglicht, ihre Energiekosten zu optimieren und gleichzeitig einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.
Für Hausbesitzer, die bereits in eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, ein Smart Meter und ein modernes Energiemanagementsystem investiert haben, stellen flexible Stromtarife eine logische und äußerst sinnvolle Ergänzung dar. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die ein E-Auto besitzen oder eine Wärmepumpe nutzen bzw. deren Anschaffung planen.