Durchbruch im Saarland: Erstmals 20-Meter-Windanlagen ohne Genehmigung

15/10/2025
Kleinwindanlage 20 m ohne Genehmigung

Das Saarland hat mit einer Änderung der Landesbauordnung neue Maßstäbe für die Kleinwindkraft in Deutschland gesetzt. Seit April 2025 können Kleinwindanlagen erstmals bis zu einer Gesamthöhe von 20 Metern ohne Baugenehmigung errichtet werden.

Neue Regeln für verfahrensfreie Vorhaben

Mit dem Änderungsgesetz zur Landesbauordnung, das am 26. April 2025 in Kraft trat, wurde der „§ 61 Verfahrensfreie Vorhaben“ überarbeitet. Die Neuerung zielt darauf ab, bürokratische Hürden für Bürgerenergieprojekte abzubauen und erneuerbare Energien zu fördern.

Die neuen Regelungen für Kleinwindanlagen im Überblick:

  • Innenbereich: Verfahrensfrei bis 15 m Gesamthöhe.
  • Außenbereich: Verfahrensfrei bis 20 m Gesamthöhe!!
  • Anlagen über 10 m Gesamthöhe: Standsicherheitsnachweis erforderlich.

Der exakte Wortlaut der NEUEN Bauordnung – § 61 Verfahrensfreie Vorhaben:

(1) Verfahrensfrei sind:

3. folgende Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien:

c) gebäudeunabhängige Windkraftanlagen und Windkraftanlagen auf Dächern, jeweils bis zu 15 m Höhe, bei gebäudeunabhängigen Windkraftanlagen im Außenbereich bis zu 20 m Höhe, gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche, sowie die damit verbundene Änderung der Nutzung oder der äußeren Gestalt des Gebäudes; bei einer Höhe von mehr als 10 m ist das Vorhaben nur verfahrensfrei, wenn vor der Bauausführung von einer oder einem Prüfsachverständigen aufgrund des § 86 Abs. 3 ein Standsicherheitsnachweis erstellt und die Standsicherheit der Bauherrin oder dem Bauherrn bescheinigt wurde.

Quelle:  Landesbauordnung Saarland

Die ALTE Bauordnung im Vergleich:

Gebäudeunabhängige Windkraftanlagen und Windkraftanlagen auf Dächern, jeweils bis zu 10 m Höhe gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche, sowie die damit verbundene Änderung der Nutzung oder der äußeren Gestalt des Gebäudes.

Nachweis der Standsicherheit als Auflage

Die 15-Meter-Regelung im Innenbereich und 20-Meter-Regelung im Außenbereich gilt nur mit einer Einschränkung: Bei Anlagen über 10 Meter Gesamthöhe muss ein Standsicherheitsnachweis vorliegen.

In Deutschland kann die Standsicherheit auf zwei Wegen nachgewiesen werden:

  • Einzelprüfung: Individuelle Prüfung für das konkrete Projekt – aufwendig und kostenintensiv.
  • Typenprüfung: Nachweis für eine komplette Baureihe einer Kleinwindanlage – wird vom Hersteller kostenfrei bereitgestellt und vereinfacht das Verfahren erheblich.

Eine Typenprüfung macht die Sache also deutlich einfacher. Allerdings verfügen längst nicht alle Kleinwindanlagen in Deutschland über ein solches Dokument.

Aber man kann es auch so sehen: Der Nachweis der Standsicherheit als Teil des materiellen Baurecht ist für alle Kleinwindanlagen verpflichtend – unabhängig von der Genehmigungspflicht. Die Bauaufsichtsbehörden können auch bei verfahrensfreien Bauvorhaben einschreiten, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden. Der Bauherr trägt die volle Verantwortung für die Einhaltung aller öffentlich-rechtlichen Vorschriften, einschließlich der Standsicherheit.

Wegweisende Entwicklung für Kleinwind-Branche

Kritisch betrachtet handelt es sich nicht um eine vollständige Verfahrensfreiheit, da der Standsicherheitsnachweis eine zusätzliche Hürde darstellt. Dennoch bedeutet dies eine Vereinfachung gegenüber einem vollständigen Genehmigungsverfahren.

Die Änderung der saarländischen Landesbauordnung stellt eine Zäsur für die Kleinwindkraft in Deutschland dar. Erstmals können Windkraftanlagen mit 20 Meter Gesamthöhe ohne (oft langwieriges) Genehmigungsverfahren errichtet werden.

Diese Regelung könnte Signalwirkung für die Bauordnung anderer Bundesländer haben und den Weg für eine bundesweite Liberalisierung der Kleinwindkraft ebnen.

Fazit

Das größte Problem der Kleinwindkraft ist das oft geringe Windpotenzial aufgrund niedriger Anlagenhöhen. Je nach Standort können die Unterschiede beim Windangebot zwischen 10 Meter und 20 Meter Höhe enorm sein – ein Aspekt, der in Binnenländern wie dem Saarland besonders relevant ist, da hier bereits wenige Meter zusätzliche Höhe deutlich bessere Windverhältnisse erschließen können.

Generell sind kleine Windkraftanlagen optisch unauffällig. Ob eine Anlage nun 10, 15 oder 20 Meter hoch ist, wird vom Erscheinungsbild keinen großen Unterschied machen. In Bezug auf Stromerträge und Wirtschaftlichkeit der Windkraftanlage kann es allerdings entscheidend sein.

Wollen wir hoffen, dass möglichst viele Bundesländer die 20-Meter-Regel ebenfalls umsetzen.

Über den Autor

Patrick Jüttemann

Patrick Jüttemann ist neutraler Experte für Kleinwindkraftanlagen und Autor diverser Fachpublikationen. Er ist Gründer und Inhaber des 2011 gestarteten Kleinwindkraft-Portals und des dazugehörigen YouTube-Kanals "Kleinwindkraft".
Er ist international anerkannter Experte zu gewerblichen und privaten Kleinwindanlagen für die lokale Energieversorgung. Dazu gehört die Integration von Photovoltaik und Stromspeichern.
Seine Arbeit als Autor ist durch aktuelle Marktanalysen, wissenschaftlich fundierte Berichte und Verbraucherschutz gekennzeichnet. Als Experte wird er in diversen renommierten Zeitschriften wie beispielsweise der ZEIT, F.A.Z. und c’t (Heise Gruppe) zitiert.